Wie lebt man 24 Stunden

Datum: 03.07.2020 - Kategorie: Selbstreflexion / Weiterbildung

Seit einigen Wochen überlege ich mir immer wieder wie ich meine Zeit bestmöglich nutzen kann. Auf ettlichen Recherchen bin ich dabei über ein "Büchlein" gestoßen welches gerade einmal vor gut 112 Jahren verfasst wurde und auch heute noch in den meisten Bereichen anwendbar ist.

Es ist recht überschaubar und ich denke inklusive Reflektion sollte man es im Schnitt in 2 Wochen durchgelesen haben.

Das Buch heißt "How to live on 24 hours a day" von Arnold Benett.

Nachfolgend möchte ich in kurzen Stichpunkten gerne beschreiben, wie ich das Buch aufgenommen habe, zu welchen Schlussfolgerungen ich gekommen bin und was ich in meinen Alltag integrieren werde bzw. teilweise schon integriert habe.

Arnold beginnt mit der offensichtlichsten Einschränkung, welcher alle Menschen unterliegen, dass jeder Mensch gleich viel Zeit, 24 Stunden, pro Tag bekommt. Es ist dabei jedem selbst überlassen wie er die Zeit verwendet. Zeit kann im Gegensatz zu anderen "Gegenständen" nicht direkt weitergegeben, geliehen oder gekauft werden.

Wie können wir diese Gleichheit also bestmöglich nutzen?

Arnold ist bei seiner Recherche aufgefallen, dass es zwar schon ettliche Artikel, Kolumnen bzw. Texte über den Vergleich von den unterschiedlichen Gehältern, "Wie lebt man mit Einkommen XY?" gibt, allerdings konnte er zu seiner Zeit keine Texte darüber finden WIE man seinen Tag bestmöglich nutzt.

Für mich überraschend war die Aussage, dass sich schon vor gut 100 Jahren die Menschen Gedanken darüber gemacht haben wie es sich mit anderen Gehältern so lebt. Mir kam es so vor, dass erst in jüngerer Zeit diese Vergleiche vermehrt aufgetaucht sind, vielleicht hatte ich das vorher aber auch einfach nicht auf dem Schirm.

Trotz aller Vorbereitungen, muss man irgendwann einfach anfangen.

Prokrasitinieren kennt vermutlich jeder, am Ende muss man aber zugeben, dass man noch so viel Vorarbeit hineinstecken kann und sobald man anfängt läuft eh wieder alles ganz anders als geplant.
Ich würde mir also einen groben Plan zurecht legen welcher die offensichtlichsten Probleme aufgreift, kurz beschreibt inkl. passender Lösung und den weiteren Plan so offen wie möglich gestalten, sodass man durch ausrechende Puffer auch unvorhergesehene Ereignisse abfangen kann.

Jede zukünftige Stunde, Minute, Sekunde ist ein unbeschriebenes Blatt.

Wie Benett bereits zu Beginn seines Buches schreibt, bekommt jeder Mensch jeden Tag genau gleich viel Zeit. Diese Zeit hat im ersten Augenblick keinerlei Sinn oder Bedeutung, es kommt auf einen selbst an wie ich diese Zeit nutze bzw. vorhabe zu nutzen.
"Jeder" bestimmt also grundsätzlich selbst seine eigene Zukunft.
-> Ich bestimme wie ich diese Zukunft nutze

Eifer ist tückisch und verschwindet (vor der Arbeit) ohne eine (Vor-)Anmerkung

Ein unterschätztes Risiko ist Benett's Ansicht nach auch der "Eifer". Dieser sei sehr tückisch und dürfte nicht ausser Acht gelassen werden. Zum nutzen wir den Eifer um über aus unserer Komfortzone herauszugehen und große Pläne, Ziele für die Zukunft zu schmieden, allerdings liegt hier auch seine größte Gefahr vergraben.
Meist kennen wir den Eifer Abends im Bett wenn die Gedanken nicht zur Ruhe kommen und wir uns sagen "morgen werde ich meine Reise zu meinem neuen Ich starten und alles negative vergessen und DER BESTE Mensch überhaupt werden". Bei den meisten, wie auch bei mir selbst, sieht das dann am nächsten Morgen wenn der Wecker um 5 Uhr klingelt schon wieder ganz anders aus 😀
Hier liegt also das tückische des Eifers. Er stuppst uns gedanklich ins "kalte" Wasser, sagt wir schaffen das doch locker, dreht sich dann um und entfernt sich fröhlich pfeifend von uns. Sprich vor vielen Aufgaben ist er wieder vor der eigentlichen Arbeit schon längst wieder verflogen.

Lasse dich also vom Eifer eher inspirieren und wenn es dann wirklich los geht einfach dran denken dass der Eifer ggf. nicht mehr da ist aber es dennoch vorwärts geht (vermutlich bei weitem nicht so anstrengend wie zuerst gedacht)

Starte klein

In mehreren Büchern und Quellen wird immer wieder davon gesprochen, man sollte doch klein starten und nicht gleich schon am ersten Januar 10km laufen, 100 Liegestütz, 100 Kniebeugen und 100 Situps machen wenn man komplett untrainiert fitter werden möchte.
Das macht meines Erachtens auch Sinn, dir nicht gleich alle Kraft zu rauben aber dennoch sollte man vor allem am Anfang größer denken/planen.
Sprich plane ein großes Ziel, welches definitiv ausserhalb deiner Komfortzone liegt, breche dieses dann aber in kleine verdauliche deinem Kenntnissstand passende Teilaufgaben/-probleme und erarbeite dir damit dann das große Ganze.

Plane Fehler ein und lasse sie zu

Bei Planungen werden ja in der Regel verschiedenste Szenarien berücksichtig, bspw. Verzug einer Lieferung oder aber auch Fehler in der Konstruktion und damit verbundenen Folgen. Diese Probleme/Fehler solltest du unbedingt einplanen.
Eine Möglichkeit wäre etwa für eine Aufgabe welche du auf 1,5h schätzt mit 2-2,5h in deinen Tagesablauf einzuplanen. Damit solltest du ausreichend Puffer haben um auf unerwartete Ereignisse (Probleme, Fehler, der Hund der auf einmal raus muss, etc.). Wenn du früher fertig bist, kannst du dir ja immernoch eine neue Aufgabe suchen

Diese Fehler solltest du dann aber auch zu lassen. Ja ärgern darfst du dich natürlich darüber aber das solltest du schnellstmöglich abstellen und lieber zu dem Problem/Fehler nach einer passenden Lösung suchen und diese umsetzen.

Erstelle einen Plan für die "Nicht-Arbeitszeit"

Auch deine Freizeit solltest du in gewissen Maßen planen um somit nicht in unstrukturiertem Nichtstun zu versinken.

Benett schlägt hierzu vor jeden 2. Abend voll auszuplanen und darin mindestens 90 Lernzeit unterzubringen. Somit verbleiben 3 Abende pro Woche um bspw. Freunde zu treffen oder auch mal nach Lust und Laune zu leben.

Zu den Abenden empfiehlt Benett die Woche mit 6 Tagen vorzuplanen. Hier sollten dann eher grobe Themen definiert werden bspw. Arbeit, lernen, sich entdecken oder zu forschen. Ein Tag die Woche sollte frei verbleiben um sich auch von der strikten "Wochenvorgabe" zu erholen. Nur ausnahmsweise sollte auch der 7. Tag verplant werden etwa wenn man mit Freunden an diesem Wandern gehen möchte, detaillierte sollte es dann aber nicht werden.

Übertreibe es nicht am Anfang

Aller Anfang ist schwer trotz der größten Motivation. Eine Überanstrengung ist hier umso schneller möglich sogar mit der Gefahr danach eine längere Pause einhalten zu müssen. Beispielsweise beim "Start in ein gesünderes Leben" planen die meisten Leute immer viel zu viel Sport ein. Dass jemand ohne großartiger sportlichen Affinität ein Marathon von heute auf morgen läuft scheint sich wohl immer noch hartnäckig als Gerücht zu halten.

Benett empfiehlt hier zu Anfangs lieber leise und unauffällig zu starten um sich auch erst einmal daran zu gewöhnen bzw. den Körper an die neuen Herausforderungen langsam heranzuführen.

Es gibt mittlerweile gefühlt unzählige Studien und Empfehlungen wie man diesen "Strapazien" am ehesten begegnet. Benett spricht sich dafür aus mindestens die ersten 3 Monate eben diese leise und unauffällige Heransgehensweise aufrecht zu erhalten. In Kombination mit anderen Modellen fahre ich aktuell sehr gut damit, mir große Ziele in die Zukunft zu setzen und diese aber so gut es geht in kleinere Happen herunterzubrechen sodass ich zwar immer ein bisschen mehr machen muss, als zu diesem Zeitpunkt kann aber gerade soviel mehr dass ich mir eben keine unglücklichen Verletzungen einhole (wenn man das jetzt auf den Sport projiziert).

Beherrsche deinen Verstand

Konzentriere deinen Verstand auf ein Thema am Morgen für ca. 30-45 Minuten, der tägliche Weg zur Arbeit (falls du einen hast) bietet dir eine Möglichkeit in gewissem Maße zu meditieren.
Hole das Thema immer wieder in den Vordergrund wenn du mit deinen Gedanken abdriftest.
Somit sollte sich laut Benett deine generelle Möglichkeit zur Konzentration auf ein einzelnes Thema im Laufe der Zeit deutlich verbessern.

Du könntest beispielsweise am Vorabend einen kleineren Philosophie-Häppchen (Stoas) lesen und am nächsten Tag auf dem Weg zur Arbeit darüber reflektieren.

Neben der Konzentration stärkst du somit auch noch gleich deine Fähigkeiten in Sachen Reflektion.

Kenne dich selbst

Das Verhalten muss mit Prinzipien übereinstimmen

Jeder Mensch hat von sich aus gewisse Vorstellungen und damit einhergehendes Verhalten welches er als richtig bzw. falsch interpretiert. Dein eigenes Verhalten sollte mit deinen eigenen Prinzipien übereinstimmen, denn nur somit kannst du auch in herausfordernden Momenten die/deine richtige Lösung finden.

Diese Prinzipien und deren Einhaltung solltest du täglich prüfen, reflektieren und ggf. nach Lösungen bspw. für das Nichteinhalten suchen.

Versuche das große hinter allem zu verstehen

Benett erzählt hierzu eine kleine Geschichte in welcher du von einem Dieb am hellichten Tage bestohlen wirst. Ärgern ist aus seiner Sicht erlaubt (zumindest habe ich das so herausgelesen), allerdings sollte man sich selbst auch die Frage stellen warum der Dieb mich bestohlen hat.
Aus welchen Gründen muss dieser Mensch auf diese "Methode" zurückgreifen
- Hunger?
- Geldmangel
- Wurde er selbst ausgeraubt?
- Hatte er einen Schicksalsschlag weshalb er nun zum Dieb geworden ist, da er selbst nichts mehr hat?

Grundlegend möchte Benett also dass wir uns der Ursache und Wirkung bewusst werden. Gut 100 Jahre später empfiehlt beispielsweise auch Ray Dalio in seinem Buch Principles diese Abläufe in ihrer Grundlegenheit genauestens zu verstehen.

Fortbildung "leicht gemacht"

Benett bietet in seinem kleinem Büchlein auch zwei verschiedene Vorschläge wie man sich am Besten und wahrscheinlich auch am Schnellsten, aus seiner Sicht, fortbilden kann.

Vorschlag #1

Suche ein Thema und committe dich für/auf einen vorher definierten Zeitraum darauf

Vorschlag #2

90 Minuten "Machen" (lesen, sporteln, was auch immer) -> 45 Minuten reflektieren

Halte dich an den gesetzten Plan, lasse ihn aber flexibel

Ein guter Plan ist viel Wert aber es gibt auch durchaus Fälle/Zeitpunkte in welchen ein unplanmäßiges Handeln vorteilhaft sein kann. Letztenendes ist es ein Plan und diese ist, und sollte, nie in Stein gemeißelt, sein.

Qualität über Quantität

Leider kommt es mir heutzutage immer mehr vor dass wir die Quantität viel zu sehr gegenüber der Qualität wertschätzen.
- Mehr Geld
- größeres Haus
- mehr Videos
- mehr Blogbeiträge
- "publish or perish"

Das dürfte leider früher oder später nach hinten losgehen, da am Ende dann niemand mehr einen Überlick hat und wahrscheinlich alle x Tage das Rad neu erfunden wird (das denken vermutlich die vermeintlichen "Erfinder/Entdecker")

Durchhalten auch wenn es am Anfang als unmöglich erscheint

Analog zum "leisen und unauffälligen Start" erscheint es einem oft, vor allem am Anfang, dass das gesetzte Ziel unmöglich oder nur unter größten Opfer-Darbietungen erreichbar ist.
Diesen Gedanken solltest du aber nicht wirklich Zeit zu kommen lassen. In der Regel kann man ein gesetztes Ziel bspw. neue körperliche Topform in folgende Zeiträume einteilen:
- Tag 1-10 schier unmöglich
- Tag 11-20 ist ja garnicht so schlimm
- Tag 21-30 man begreift wo man noch wie die Zeit am Effektivsten nutzen kann

Wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast, ziehe es durch egal was es kostet

Und last but not least, sollst du natürlich auch zu deinen Entscheidungen in all ihrer Pracht, Vor- und Nachteile mit inbegriffen, stehen.
Und wenn du dich entschlossen hast etwas bestimmtes zu erreichen, diese Entschlossenheit auch bis zum Schluss beizubehalten und allen Widerständen zu trotzen.